Der Bundesrat-Blogger und re:publica 07

17 03 2007

Es tut sich etwas in der helvetischen Polit-Blogosphäre. Nachdem der prominente Polit-Analyst Claude Longchamp im Zürcher Tages-Anzeiger als nächtlicher Blogger porträtiert worden war, drehte sich die Diskussion um den Schweizer Bundesrat und Medienminister Moritz Leuenberger, der seit wenigen Tagen ein eigenes Blog betreibt. Erst drei Einträge, aber hunderte von Kommentaren.

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Im ersten Eintrag schrieb er:

Ich habe mich schon einige Male über Blogs geäussert, jedoch nie in einem Blog. Als Kommunikationsminister interessiert mich, ob sich ein Blog für den Meinungsaustausch eines Bundesrates mit anderen Menschen eignet oder nicht.

Auch Hillary Clinton und Ségolène Royal setzen auf Politik 2.0. Sie versuchen aktiv die Blogosphäre für ihre Sache zu gewinnen. Das Blog Ségosphère fasst Blogs um Royals Kandidatur zusammen und erklärt, wie man selbst über Ségo bloggen kann.

 

In der Blogsprechstunde vom letzten Dienstag war „Mister Netzpolitik.org“ zu Gast: Markus Beckedahl, die Anlaufstelle für Internetpolitik (nicht zu verwechseln mit Politik im Internet). Ich stellte ihm jene Frage, der ich in meiner Arbeit nachgehe: Inwiefern Blogs und andere Erscheinungen von Web 2.o den öffentlichen Diskurs demokratisieren. Er bestätigte implizit, was ich auch immer wieder denke: Dass die Vorstellung einer breit abgestützten partizipativen Demokratie ohnehin utopisch ist. Nur weil sie sich mit dem Internet leichter in den politischen Diskurs einklinken könnten, wird die grosse Masse, die sich dann halt doch nicht so schrecklich für Politik interessiert, doch nicht eher teilnehmen als davor. Markus Beckedahls ganze Antwort (aufs Bild klicken):

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Eine weitere Frage wurde gestellt zum Thema „Bürgerjournalismus“. Beckedahl beurteilt diese Entwicklungen als positiv:

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In der Blogsprechstunde erfuhr ich auch von re:publica 07, einer Blog-Konferenz in Berlin im April, die ebenfalls von Beckedahl getragen wird und massgeblicher Beteiligung von Johnny Haeusler vom legendären Berliner Blog Spreeblick.

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So einiges, was in der deutschsprachigen Blogosphäre Rang und Namen hat, wird dasein, nicht zuletzt auch der hier schon oft erwähnte Blog-Forscher Jan Schmidt, der im Übrigen zurzeit auch sehr interessante Analysen der deutschen Blogcharts durchführt.

 

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Politik-digital.de führt neuerdings ein wunderschönes Dossier zu „Die Blogger und die alten Medien“ und NZZ Online berichtet aus dem Eigenleben ihrer blogbasierten Wahlplattform NZZvotum rund um den Zürcher Wahlkampf.

 

 


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3 responses

17 03 2007
Christian Schenkel

Demokratietheoretsich tun sich da zwei ganz verschiedene Fragestellungen auf:

1) Bringt das Internet mehr Partizipation in einem quantitativen Sinne? Und ist dies gut für die Demokratie?

2) Bringt das Internet mehr Partizipation in einem qualitativen Sinne? Und ist das gut für die Demokratie?

Markus Beckedahl hat die erste Frage wohl ansatzweise schon beantwortet. Die zweite Frage interessiert mich eigentlich mehr. In letzter Zeit hänge ich immer wieder der Idee nach, dass das Internet eine Art „Schleier des Nichtwissens“ im Rawlschen Sinne sein könnte, der die Diskursvoraussetzungen ein einem gewissen Masse egalisiert und so zu rationaleren Resultaten führen könnte (vgl. „Mehr Demokratie dank E-Demokratie?“) . Oder ist das Internet eben „nur“ ein „Second Life“, in das die unerfüllten Wünsche aus dem „First Life“ projiziert werden?

Danke für deine Nachricht. Ich werde mich melden, sobald Zeit in mein Leben kommt 😉

17 03 2007
Sarah

Danke für den Input, lieber Christian.
Ja, ich denke auch, dass man auf Demokratie im qualitativen Sinne mehr eingehen sollte als auf die Quantität.
Dass die Publikationsbedingungen durch das Internet gewissermassen egalitärer werden, stimmt zunächst. Bis sich wieder – genau wie im analogen Leben – durch Professionalisierung und Aneignung jene durchsetzen, die mehr Zugang zu zeitlichen und finanziellen Ressourcen haben. Und auch technische Geduld. So sehr ich es hasse, auf Genderaspekte hinzuweisen, scheint mir sehr deutlich zu werden, dass z.B. Frauen am digitalen politischen Diskurs noch weniger teilnehmen als am analogen. Weil sie es tendenziell eher vermeiden, stundenlang vor dem Bildschirm zu sitzen, weil sie oft weniger Geduld mit der Technik haben. Ähnlich verhält es sich mit anderen sog. „soziodemographischen Merkmalen“ (wie Alter und Bildungsstand). Insofern denke ich, dass die Chancen zu mehr Demokratie da wären, dass aber oft ausgeblendet wird, dass zwar manchmal mehr Gleichheiten, aber gleichzeitig auch neue Ungleichheiten entstehen. Ich glaube schon lange nicht mehr an den Fortschritt, bloss an den Wandel…

P.S. Zeit hat man nicht, man nimmt sie sich. 😉 Freue mich auf allfälligen analogen Austausch.

19 03 2007
Sebastian Gievert

Das Lob für unser Dossier geht ja runter wie Öl. Danke!

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